(Dieser Artikel ist heute auf Telepolis erschienen)
Immerhin, acht Jahre nach dem Abkommen von Paris hat der größte Teil der Welt jetzt verstanden, dass es ein Problem mit den Produzenten fossiler Energieträger gibt. Die COP 28 genannte Konferenz, die gerade in einem Land zu Ende ging, das wie kaum ein anders von der Öl-und Gasproduktion lebt, hat sich zum ersten Mal auf eine Sprachregelung zu den fossilen Energieträgern geeinigt. Besser als tausend Erklärungen zeigt diese „Einigung“, warum die Welt keinen Millimeter in Sachen Verhinderung des Klimawandels vorankommt.
Man will, so die Abschlusserklärung, „die Abkehr von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen auf gerechte, geordnete und ausgewogene Weise vollziehen, wobei die Maßnahmen in diesem kritischen Jahrzehnt beschleunigt werden sollten, um im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen bis 2050 ein Netto-Null-Ziel zu erreichen“. (…”transitioning away from fossil fuels in energy systems, in a just, orderly and equitable manner, accelerating action in this critical decade, so as to achieve net zero by 2050 in keeping with the science”.)
Das klingt gut, ist aber vollkommen bedeutungslos. Selbst wenn es gelungen wäre, das von Europa gewünschte Phasing-Out (also das Auslaufen der fossilen Energie) in die Erklärung aufzunehmen, wäre der Unterschied nur marginal. Man will in diesen Konferenzen nicht wahrhaben, was offensichtlich ist: Wenn die Welt sich beim Ausstieg aus der fossilen Energie nicht ganz konkret auf die „gerechte, geordnete und ausgewogene Weise“ einigt, sondern das nur so hinschreibt, hat man sich auf gar nichts geeinigt. Das Problem, das schon auf der Pariser Konferenz wie ein weißer Elefant im Raum stand, ist nicht angegangen, ja nicht einmal klar angesprochen worden: Es muss um Instrumente gehen, die tatsächlich greifen – die Diskussion von Zielen ist müßig.
Welcher der etwa 20 wichtigen Produzenten fossiler Energieträger wird jetzt vorangehen und beschließen, dass er von nun an die Förderung von Öl, Gas oder Kohle herunterschraubt, weil die Welt das von ihm und allen anderen erwartet? Jeder Produzent wird fragen: Und was ist mit den anderen Produzenten? Warum soll ich vorangehen und in einer Welt, in der Öl, Kohle und Gas wie nie zuvor nachgefragt werden, auf Einkommen verzichten, während andere einfach nichts tun? Es gibt keine „gerechte, geordnete und ausgewogene Weise“, es sei denn, man einigt sich in einem für alle geltenden Abkommen darauf, wer genau wann und um wie viel seine Produktion herunterfährt. Von einem solchen Abkommen ist die Welt aber nach der COP 28 genauso weit entfernt wie vor der Konferenz.
Die USA als Vorreiter?
Man stelle sich nur einmal die USA vor, der derzeit größte Ölproduzent der Welt. Der Präsident tritt vor sein Volk und erklärt, die USA, im Verein mit den anderen Ölproduzenten, stiegen von nun an aus der Produktion aller fossilen Rohstoffe aus und führen deren Produktion jedes Jahr um fünf Prozent herunter, weil man spätestens 2050 die Förderung dieser Energieträger vollständig beenden wolle. Das bedeutet natürlich, sagt der amerikanische Präsident im nächsten Atemzug und ohne Umschweife, dass auch Benzin „at the pump“ von Jahr zu Jahr teurer werde und zwar so teuer, dass die Benzinpreise jedes Jahr stärker als die Löhne steigen, denn der sogenannte reale Ölpreis (der in Kaufkraft gerechnete) müsse steigen, nicht nur der „at the pump“ gezahlte. Weil das, so der Präsident weiter, natürlich unzumutbare Härten zulasten des ärmeren Teils der Bevölkerung mit sich bringe, werde er mit einer groß angelegten Steuerreform den Reichen massiv auf die Füße treten und das Geld den Armen zukommen lassen, um einen „gerechten“ Ausgleich zu schaffen.
Oder stellen wir uns ein Entwicklungsland in Afrika vor, wo in den Küstengewässern gerade große Öl- und Gasvorkommen entdeckt worden sind. Dem sagt jetzt das durch gnadenlosen Ölverkauf reich gewordene Norwegen (das zur Gruppe der besonders ambitionierten Länder gehört), das Entwicklungsland habe leider Pech gehabt. Ölförderung sei ein Auslaufmodell und man solle sich etwas anderes suchen, was man exportieren könne. Der Freihandel biete schließlich jedem Land der Welt die Möglichkeit, seine spezifischen Vorteile auszuspielen, auch wenn es mit dem Ölverkauf nichts mehr werde.
Man sieht, nicht weiter konkretisiert ist „Abkehr von den fossilen Energieträgern“ leicht gesagt, aber die Umsetzung ist praktisch unmöglich. Ohne ein wirklich in die Förderung unmittelbar eingreifendes Abkommen, bei dem sich alle Produzenten bindend verpflichten, einen einmal vereinbarten Ausstieg Tag für Tag und Jahr für Jahr in konkrete Aktion umzusetzen, ist nichts zu machen. Doch selbst ein solches Abkommen schüfe keine Sicherheit. Was täte man, wenn Donald Trump wiedergewählt würde und auf seiner Position beharrte, den menschengemachten Klimawandel gäbe es gar nicht? Dann könnte er jederzeit aussteigen, und jeder globale Vertrag wäre das Papier nicht wert, auf dem er steht.
Was tun?
Es ist nicht zielführend, wenn sich 70 000 wohlmeinende Menschen für 14 Tage treffen und nach einer Sprachregelung für die Welt suchen, die letztlich unverbindlich bleiben muss, weil sie an den unterschiedlichen Interessen der Länder vorbeigeht. Wer, wie die deutschen Grünen, mit einem Stimmenanteil von 15 Prozent im eigenen Land glaubt, er oder sie könne die Welt bewegen, täuscht sich gewaltig. Man muss den Bürgern auf der ganzen Welt reinen Wein einschenken in Sachen der Anpassungsleistung, die sie beim Ausstieg aus der fossilen Energie erbringen müssen. Wenn man dann noch gewählt wird und den ärmeren Ländern der Welt in einem Ausmaß unter die Arme greift, das wir uns heute weder vorstellen können noch wollen, gibt es eine Chance auf wirklichen Wandel.
Würde etwa Norwegen erklären, alle Erträge seines mit dem Verkauf von Öl aufgebauten Staatsfonds (der über eine Billion Euro wert sein soll) von nun an auf unbestimmte Zeit einem ärmeren Land zur Verfügung zu stellen, das auf die Nutzung fossiler Energie verzichtet, das wäre ein wirklich vorbildliches Vorgehen. Würden die westlichen und östlichen Industrieländer unisono den ärmeren Ländern der Welt zusagen, die für die Umstellung auf erneuerbare Energieträger notwendigen Technologien für die nächsten vierzig Jahre umsonst zu liefern, würde man erheblich an Glaubwürdigkeit gewinnen. Wer aber glaubt, er könne mit der Umstellung der ärmeren Länder auch noch schöne Geschäfte machen, weil er über die notwendige Technologie verfügt, liegt vollkommen daneben.
Allmählich beginnt man in unseren Breiten zu verstehen, welche Interessenkonflikte bei der Bewältigung des globalen Ausstiegs aus der fossilen Energie zu überwinden sind. Hinsichtlich der Dimension der Anpassung, die dieser Ausstieg bei uns und bei den anderen verlangt, herrscht jedoch die blanke Illusion. Wir sind schon nicht bereit, unserer Bevölkerung klar zu sagen, dass sich die fossilen Energieträger rasant und langfristig verteuern müssen und wie einschneidend die Umverteilung im Inland sein muss, die das zu begleiten hat. Auch haben wir nicht verstanden, welch gewaltige Kompensation diejenigen erbringen müssen, die ihren Wohlstand direkt oder indirekt auf billiger fossiler Energie aufgebaut haben, um diejenigen, denen das jetzt nicht mehr erlaubt sein soll, zu entschädigen. Erst wenn Realismus und Offenheit bei diesen Themen an der Tagesordnung sind, gibt es eine Chance auf Besserung. Um das umzusetzen, bedarf es keiner überdimensionierten Konferenz, sondern einer klaren Analyse und einer ehrlichen Information für die Masse der Bürger.