Klimawandel: Die Wirtschaft hat keinen Rückwärtsgang

Dieser Artikel ist heute bei Telepolis erschienen

Immer mehr hört man aus grünen Kreisen, dass alle Versuche einiger westlicher Staaten, mit kleinen nationalen Maßnahmen eine klimagerechte Wirtschaft und Gesellschaft aufzubauen, einfach nicht ausreichend sind. Man müsse die Wirtschaft rückbauen und sie nicht modifiziert weiter wachsen lassen. Man müsse zurück zu einem geringeren Einkommen, zu einem einfacheren Leben und insgesamt zu einem deutlich geringerem Ressourcenverbrauch. De-growth, also Schrumpfung, ist das Stichwort, das immer mehr um sich greift. „Nur wenn wir weniger von allem nutzen, besteht die Chance, die gefährlichen Kippelemente im Weltklimasystem stabil zu halten“, so ein aktueller Kommentar in der taz.

Was, wenn es so allgemein dahingesagt wird, einfach und logisch klingt, ist allerdings unter realen gesellschaftlichen Bedingungen schlicht unmöglich. Die Wirtschaft hat keinen Rückwärtsgang. Rückwärts bedeutet Katastrophe, weil jederzeit die Gefahr besteht, dass die Wirtschaft kollabiert, obwohl die Befürworter der Schrumpfung das eigentlich nicht wollen. Kollabiert die Wirtschaft aber, dann ist es mit den grünen Wunschvorstellungen schnell vorbei, weil grün einfach nicht mehr gewählt wird. Die laienhafte Vorstellung von einer Wirtschaft, die kontrolliert und zudem noch sozial ausgewogen schrumpfen könnte, weil sie vorher ja auch wachsen konnte, ist allerdings insbesondere deswegen falsch, weil es genau die Verhaltensweisen, die man sich wünscht, dann nicht mehr gibt.

Offensichtlich ist das beim Sparen. Wer die Wirtschaft schrumpfen will, muss die Menschen dazu aufrufen, weniger von ihrem gegebenen Einkommen auszugeben, also mehr zu sparen. Wenn die privaten Haushalte mehr sparen und niemand das Mehr an Schulden auf sich nimmt, das man in dem Fall für eine wenigstens stagnierende Wirtschaft braucht (wie hiererklärt), wird die Wirtschaft mit Sicherheit schrumpfen. 

Dumm ist nur, dass jeder Politiker, der zu vermehrtem Sparen aufruft, gleichzeitig sagen müsste, dass genau dieses Sparen vollkommen sinnlos ist, ja, dass der Einzelne sogar davon auszugehen hat, dass er nicht nur keine Zinsen bekommt, sondern die angesparten Gelder über die Zeit an Wert verlieren. Zinsen gibt es auf das Ersparte nicht, weil Zinsen nur gezahlt werden können, wenn die Wirtschaft wächst. Aber auch der absolute Wert der Ersparnisse muss schrumpfen, wenn die Wirtschaft absolut schrumpft. Geld kann niemals mehr wert sein als die reale Wertschöpfung, die dahinter steht. 

Die Politik muss also entweder die Sparer nach Strich und Faden belügen oder darauf setzen, dass der blöde Sparer jahrzehntelang nicht merkt, wie er von den von ihm gewählten Politikern systematisch hinters Licht geführt wird. Genau diese Politik stellen wir uns einmal im globalen Maßstab vor und dann das plötzliche Erwachen, wenn rund um die Welt festgestellt wird, das alles, was die Kapitalmärkte über viele Jahre „produziert haben“, nur heiße Luft war, weil die Politiker aller Länder von vorneherein gar nicht wollten, dass genau das produziert wird, was sie ihren Sparern versprochen haben. Die wirtschaftliche Krise, die dann zu erwarten ist, schlägt bei weitem alles, was wir bisher an Krisen gesehen haben. Danach wird es auch niemals mehr gelingen, die Leute zu höheren Ersparnissen zu bewegen, sie werden jeden Euro oder Dollar sofort ausgeben, den sie in die Hände bekommen. 

Wie unbedarft muss man sein, um gar zu fordern, die deutsche Schuldenbremse müsse verschärft werden, um unseren Kindern und Enkeln genügend „Finanzmittel“ an die Hand zu geben, um sich zu wappnen, wenn die Klimakatastrophe kommt (so der oben verlinkte Kommentar in der taz). Auch die „Finanzmittel“ der taz gibt es nur, wenn die Wirtschaft wächst. Wer mit Hilfe der Schuldenbremse die Wirtschaft schrumpft, schrumpft auch die Finanzmittel der zukünftigen Generationen. 

Rückwärts kann die Wirtschaft nicht. Umlenken könnte man sie schon (wie hier gezeigt). Doch dazu bräuchte es einen Konsens auf globaler Ebene, der darauf hinausläuft, die Menge der fossilen Energieträger, die aus der Erde geholt und verbrannt werden, effektiv zu begrenzen. Diesen Konsens gibt es nicht. Jeder, der sich für das Thema interessiert, könnte das eigentlich wissen. Doch viele, die ständig darüber reden, wollen gar nicht Bescheid wissen. Vermutlich weigern sie sich, die globalen Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen, weil dann ihr klitzekleines Weltbild zusammenbrechen würde.

Gerade hat das Energy Institute sein Statistical Review of World Energy vorgelegt und darin die globalen vor allem mit der Verbrennung fossiler Energieträger verbundenen Treibhausemissionen für die Zeit von 1990 bis zum Jahr 2023 dargestellt. 

Das Ergebnis ist einfach: Die globale Energiewende ist eine Illusion. Im Jahr 2023 ist ein neuer Rekordwert von über 40 Gigatonnen an Treibhausgasemissionen erreicht worden. Das bedeutet auch, das alle Versuche einzelner Länder oder einzelner Menschen, sich der Klimaneutralität anzunähern, sinnlos sind. Alle politischen Anstrengungen müssen sich auf die globale Ebene richten. Erst wenn es ein globales Abkommen zur Begrenzung der Produktion fossiler Energieträger gibt, was man in den Konsumentenländern an deutlich steigenden Preisen dieser Rohstoffe merken würde, kann man auch auf nationaler Ebene rational mit den wirtschaftlichen Folgen umgehen und sich anpassen. Alles andere ist Symbolpolitik und Augenwischerei.