Donald Trump, das ist seit seiner ersten Präsidentschaft offensichtlich, will das amerikanische Leistungsbilanzdefizit, das sich derzeit auf fast eintausend Milliarden US-Dollar pro Jahr (oder vier Prozent des BIP) beläuft, erheblich reduzieren oder sogar ganz eliminieren. Sein Mittel der Wahl: Zölle. Er liebe Zölle, hat er im Wahlkampf gesagt, und wer wollte bestreiten, dass man damit – konsequent umgesetzt – zu einem wirklichen Ausgleich beim Handel kommen kann.
Da jaulen die deutschen Merkantilisten laut auf und faseln schnell von den Vorteilen, die der freie Handel doch für „alle“ bietet, also auch für die Blöden, die Jahr für Jahr Schulden machen, um auf Pump deutsche Güter zu kaufen. Güter also, die sie sich – in der Terminologie der deutschen Schuldenphobiker – gar nicht leisten können. Trump wird sich diesmal hoffentlich nicht beirren lassen und seine vollkommen berechtigte anti-merkantilistische Agenda durchziehen. Es ist auch die einzige Stellschraube, die Trump zur Verfügung steht, um die Verschuldung des amerikanischen Staates, die seit 25 Jahren fast kontinuierlich steigt, ein wenig einzudämmen.
Das hat dann noch eine andere Folge, die den deutschen Wirtschaftspolitikern vom Schlage eine Christian Lindner oder eines Friedrich Merz die Schweißperlen auf die Stirn treiben wird. Wenn andere Länder die Trumpsche Agenda aufgreifen und die 250 Milliarden pro Jahr an Schulden, die bisher von den Ausländern aufgenommen werden, nicht mehr zur Verfügung stehen, stellt sich die einfache Frage, wer dann die Schulden aufnimmt, die den ebenfalls 250 Milliarden an deutschen Ersparnissen gegenüberstehen müssen, soll die deutsche Wirtschaft nicht einen totalen Kollaps erleiden (dieser logisch zwingende Zusammenhang wird in meinem neuen Buch ausführlich erklärt).
Ja, die einfache Wahrheit ist: Es gibt keine Ersparnisse ohne Schulden. Wer Schulden ablehnt, muss den deutschen Haushalten erklären, dass sie mit dem gefährlichen Sparen aufhören müssen. Oder er muss die deutschen Unternehmen antreiben, Schulden zu machen statt, wie in den letzten 20 Jahren, selbst zu sparen. Es sind nämlich die Unternehmen, die das Sparproblem ohne Hilfe des Staates unlösbar machen. Ich freue mich schon jetzt darauf zuzusehen, wie Friedrich Merz als Bundeskanzler den deutschen Bürgern diesen einfachen Zusammenhang erklärt. Also den Bürgern, denen die CDU seit ihre Gründung erzählt, es käme nur darauf an, dass der Staat den politischen Willen hat, den Gürtel enger zu schnallen und schon werde alles gut.
Ich frage mich auch, wie Christian Lindner und sein Berater Lars Feld wohl reagieren, wenn in Deutschland alle Schranken fallen und eine konservative Regierung Schulden ohne Ende macht, nachdem sie, zusammen mit der SPD, dem BSW und den Grünen, die Schuldenbremse ersatzlos aus dem Grundgesetz gestrichen hat. Christian Lindner will ja gerade den gleichen Unternehmen, die sich seit 20 Jahren weigern, sich zu verschulden, die Steuern senken. Bravo! Die deutschen Unternehmen hatten in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die unvorstellbare Steuerlast von 56 Prozent Körperschaftssteuer zu tragen und haben dennoch (oder deswegen) ihre gesamtwirtschaftliche Aufgabe tatsächlich wahrgenommen, sie haben sich verschuldet und haben investiert. Nun will der ordoliberale Lindner die Körperschaftssteuer auf weit unter 29 Prozent senken, um die Unternehmen zu entlasten. Er verschwendet aber, weil er und sein Berater Feld die Zusammenhänge nicht kennen, keinen Gedanken daran, ob das in Sachen Verschuldung der Unternehmen und in Sachen Verschuldung des Staates zielführend sein wird.
Generell müssen die Deutschen und die Europäer unter Trump lernen, dass es auch heimische Nachfrage gibt. In dem ominösen neuen Papier von Lindner, mit dem er der Wirtschaftspolitik eine neue Richtung geben will, kommt das Wort „Nachfrage“ nicht ein einziges Mal vor, dafür aber „Wettbewerbsfähigkeit“ gleich sechs Mal. Wettbewerbsfähigkeit ist aber das Synonym für ausländische Nachfrage. Das ist exakt das Wörterbuch des Merkantilisten, das man unter Trump besser nicht mehr hervorholt. Das müssen offenbar auch die deutschen Gewerkschaften lernen, deren Chefin Steuersenkung für Unternehmen „unsozial“ nennt. Nein, unsozial wären sie keineswegs, wenn sie Wachstum und Arbeitsplätze mit sich brächten. Sie wären aber merkantilistisch und damit genauso absurd wie Lohnsenkungen, mit denen man die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern versuchte.
Auch die deutschen Starökonomen wie Clemens Fuest werden wieder lernen müssen, dass der Wind sich in vieler Hinsicht dreht. Er konstatiert in der Financial Times „Rückenwind“, den die deutsche Wirtschaft in den vergangenen 15 Jahren hatte wegen der Arbeitsmarktreformen, niedrigen Zinsen und billiger Energie. Dass die „Arbeitsmarktreformen“ jedoch plumpe Lohnsenkung in der Europäischen Währungsunion und damit Merkantilismus bedeuteten, sagt er natürlich nicht. Weil man das aber nicht wiederholen kann, wird sich die große konservative Hoffnung auf eine Agenda 2030 im Zeitalter des Trumpismus wie nichts in Luft auflösen.
Der Einzige im konservativen Lager, der verstanden hat, was die Stunde gerade schlägt, ist Michael Hüther, der Chef des IW in Köln, also des Arbeitgeberinstituts. Er schlägt zum Erstaunen vieler milliardenschwere Investitionsprogramme vor und, man höre und staune, eine Abkehr von der „Sparschweinmentalität“. Genau so muss es kommen. Trump wird, wenn nicht alle Zeichen trügen, die Deutschen dazu bringen, ihr liebstes Vorurteil über Bord zu werfen. Wehe dem, der nicht rechtzeitig von Bord des schwäbischen Hausfrauendampfers geht.