Gigantische Schulden und gigantische Wählertäuschung?

Ein kurzer Text für die Berliner Zeitung, der in diesen Artikel eingeflossen ist (hinter der Bezahlschranke)

Kein Zweifel: Der Staat muss Schulden machen. Anders als die schwäbische Hausfrau und der sauerländische Herr Merz es glauben, darf der Staat nicht nur mit dem Geld auskommen, das er über Steuern und Abgaben einnimmt. Der Grund ist leicht zu verstehen. Weil die privaten Sektoren der Gesellschaft regelmäßig unter ihren Verhältnissen leben, also sparen, muss der Staat über seinen Verhältnissen leben, sonst kann die Wirtschaft nicht funktionieren. 

Auch die Dimension der Schulden, die in Deutschland Jahr für Jahr gemacht werden müssen, ist leicht abzugreifen: Die Ersparnisse der Privaten liegen bei über 250 Milliarden Euro. In Höhe dieser Summe müsste sich der deutsche Staat jedes Jahr verschulden, wäre die deutsche Außenhandelsbilanz ausgeglichen, also in dem Zustand, den sich Donald Trump wünscht. Nur weil sich das Ausland Jahr für Jahr um 250 Milliarden neu verschuldet hat, konnte der deutsche Staat in den vergangenen zwanzig Jahren seine Verschuldung in engen Grenzen halten.

Gemessen an den 250 Milliarden pro Jahr, die an Verschuldung nötig sind, sind die Summen, die jetzt von Merz und Klingbeil ins Gespräch gebracht werden, sehr übersichtlich. Die 500 Milliarden für Infrastruktur über zehn Jahre sind nur wenig mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Außerdem ist entscheidend, was sonst noch passiert. Spart der Staat an anderer Stelle oder ersetzt Investitionen, die ohnehin getätigt worden wären durch solche, die aus dem neuen Investitionstopf finanziert werden, kann das Ergebnis noch viel bescheidener sein. 

Neue Politik entsteht nicht durch hektische Beschlüsse, die niemand nachvollziehen kann, sondern durch ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge. Wer vor den Wahlen staatliche Schulden verteufelt, um sie nach den Wahlen in den Himmel zu heben, besorgt nur das Geschäft derer, die sich überhaupt weigern, die ökonomischen Zusammenhänge zur Kenntnis zu nehmen.