Ich habe gestern, was ich sonst nie tue, die Tagesschau in der ARD eingeschaltet, um zu sehen, wie man mit der amerikanischen Zollentscheidung umgeht. Das Ergebnis ist ein Skandal ohnegleichen. Weder in der vor der Tagesschau gesendeten Börsensendung, noch in der Tagesschau selbst, noch in dem „Spezial“ zu den Zöllen, das unmittelbar nach der Tagesschau gesendet wurde, wurden die relevanten Informationen genannt.
Das gewaltige amerikanische Defizit in der Leistungsbilanz kam ebenso wenig vor wie der – gemessen am BIP – noch größere deutsche Überschuss. Deutschland wird regelmäßig als „Exportland“ angesprochen, was schon eine grandiose Fehlinformation ist. Die amerikanische Regierung beruft sich explizit auf das amerikanische Defizit und belegt die Länder mit Zöllen, die hohe Überschüsse aufweisen.
Dass der Zuschauer in einer Sondersendung zu der amerikanischen Entscheidung überhaupt nicht erfährt, dass die US-Administration in ihrem „Factsheet“ explizit eine Begründung für die Zölle gegen Deutschland genannt hat, ist ein nicht zu entschuldigender Verstoß gegen alle journalistischen Prinzipien. Dass man nur solche „Experten“ auswählt (wie Marcel Fratzscher vom DIW), die offensichtlich dem Schweigekartell in Sachen deutsche Überschüsse angehören, zeigt, dass es hier um eine bewusst gesteuerte Desinformation geht.
Doch nicht nur die öffentlich-rechtlichen Medien blamieren sich bis auf die Knochen. In der SZ behauptet die Leiterin der Wirtschaftsredaktion, Lisa Nienhaus, Trump ignoriere mit seiner Zollpolitik 200 Jahre alte Erkenntnisse der Ökonomik, wonach sich der Freihandel für alle Beteiligten als Vorteil erweise. In kaum noch zu überbietender Arroganz stellt sie fest, Trump hätte sich in einem kurzen Gespräch mit jedem „Wald-und Wiesen-Ökonomen“ diese Erkenntnis abholen können. Die Zölle widersprächen jeder ökonomischen Vernunft.
So fundamental kann man sich irren. Die 200 Jahre alte Erkenntnis der Ökonomen bezieht sich nämlich immer auf eine Welt ohne Defizite und Überschüsse im internationalen Handel. Der von Frau Nienhaus zitierte David Ricardo würde im Grab rotieren, wenn er wüsste, dass deutsche Wald-und Wiesen-Ökonomen seine Erkenntnisse auf eine Welt anwenden, wo sich Länder wie Deutschland hohe Überschüsse im Handel erschlichen haben. Für die klassischen Ökonomen war es vollkommen klar, dass man mithilfe des internationalen Währungssystems (des Goldstandards damals) dafür sorgen müsse, dass es keine Salden und keine andauernden absoluten Vorteile zwischen den Ländern gibt, damit man ihre Einsichten überhaupt anwenden kann. Ob sie dann gelten, ist nochmal eine andere Frage, die ich in meinem Grundlagenbuch ausführlich behandelt habe.
Es wäre gut, wenn die Redaktion der Süddeutschen Zeitung sich hin und wieder einmal mit Ökonomen auseinandersetzte, die mehr wissen als ein „Wald-und Wiesen-Ökonom“. Dass die öffentlich-rechtlichen Kanäle ihren Gesetzesauftrag so sträflich missachten und von niemandem zurechtgewiesen werden, ist eine Fehlentwicklung, die zunehmend die Grundlagen der Demokratie in Deutschland in Frage stellt.