Autor: Heiner Flassbeck

Die EZB verspielt ihre Glaubwürdigkeit

Die erneute Anhebung der Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte durch die Europäische Zentralbank (EZB) am 14. September 2023 ist im Gegensatz zu den neun vorangegangenen Erhöhungsschritten im EZB-Rat nicht mehr einstimmig beschlossen worden sondern laut der EZB-Präsidentin Christine Lagarde nur noch mit einer „soliden“ Mehrheit. Das öffentliche Echo ist ebenfalls nicht mehr so einheitlich wie zuvor. Einige Fachleute wie der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratzscher betonen das Risiko, das die EZB mit diesem Schritt in Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone eingehe. Der Experte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Markus Demary kritisiert die Entscheidung mehr oder weniger direkt: „Die EZB hat sich dafür entschieden, den Inflationsdruck aus der Wirtschaft herauszunehmen und nimmt für die Preisniveaustabilität eine Rezession in Kauf“. 

Ein Gastbeitrag von Friederike Spiecker

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Flexible Löhne oder flexible Gewinne – wie funktioniert eine Marktwirtschaft?

Wenn ein hochrangiger europäischer Policymaker wie Christine Lagarde bei einem Treffen der wichtigsten Notenbanker der Welt ein Grundsatzreferat über „policymaking in an age of shifts and breaks“ hält, also über Politik im Zeitalter der Verschiebungen und Brüche spricht, sollte man genau hinhören. Denn das ist es in der Tat, worauf es ankommt in dieser Welt: Wie bewältigt man den unumgänglichen Strukturwandel, ohne gravierende makroökonomische Fehler zu machen?

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Die Rezession verschärft sich

Die Talfahrt der deutschen Wirtschaft geht weiter. Produktion und Auftragseingang in der deutschen Industrie sind auch im ersten Monat des dritten Quartals auf Rezessionskurs. Die jüngsten Stimmungsindikatoren wie der ifo-Index und der PMI-Markit, die im August erhoben wurden, zeigen deutlich nach unten. Es ist also nicht mehr auszuschließen, dass die Rezession weit größere Ausmaße annimmt. 

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Die deutsche und die globale Malaise – aus der Sicht der Neoklassik

Auf einmal klagen sie alle. Mit enormer Verzögerung haben in Deutschland auch die Berufsoptimisten in den Medien mitbekommen, dass etwas grundsätzlich schiefläuft. Deutschland sei wieder Schlusslicht in Europa, stellt selbst der britische Economist fest und verweist auf den Rückgang des BIP in diesem Jahr.  Mich wundert allerdings, dass liberale Ökonomen, die sich selbst als Neoklassiker bezeichnen würden, nicht viel aktiver an der Debatte teilnehmen und wenigstens wichtige Aspekte zu einer Theorie der Krise beisteuern. Aber die neoklassischen Autoren sind immer rasch auf dem Holzweg, weil sie die makroökomischen Implikationen ihrer eigenen Theorie nicht wahrhaben wollen und folglich gebetsmühlenartig die Regierungen für die Malaise verantwortlich machen. Märkte können ja grundsätzlich nicht falsch liegen und führen, wenn man sie nur wirken lässt, immer rasch zum Gleichgewicht.

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Auch deutsche Erzeugerpreise bei minus sechs – Zinsen runter!

Nun sind auch in Deutschland die Erzeugerpreise im freien Fall. Nachdem in den Vormonaten schon in Spanien und Italien hohe Minusraten verzeichnet wurden, stehen für den Juli auch für Deutschland minus sechs Prozent in der Statistik. Und das ist nur der Anfang. Sogar wenn dieser Indikator bis September Monat für Monat nicht weiter sinkt (was er in den letzten Monaten regelmäßig getan hat), werden für den August und den September Wert um die minus 15 Prozent verzeichnet werden. 

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Ich weine um dich, Argentinien

Ende Dezember 2021 habe ich zusammen mit einem Kollegen aus Anlass des 20. Jahrestags des größten finanzpolitischen Debakels der jüngeren Geschichte einen Artikel über Argentinien geschrieben, in dem wir resigniert feststellten, es sei kein Licht am Horizont dieses Landes erkennbar. Wir erinnerten daran, dass es der Versuch Argentiniens in den 1990er Jahren war, den argentinischen Peso bei einem Wert von 1 :1 gegenüber dem US-Dollar zu fixieren, der am Anfang des Debakels stand. „Fixing forever“ hieß das Experiment am lebenden Patienten, das unter Aufsicht und positiver Begutachtung durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Argentinien durchgeführt wurde und katastrophal gescheitert ist. 

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Rezessionsbekämpfung ohne Ursachenanalyse aussichtslos 

Das monatelange Gerede von einer „Winterrezession“, einer „technischen“ oder „milden“ Rezession in Deutschland, die im Laufe des Jahres überwunden werde, hat ein Ende gefunden. Inzwischen sind die Indikatoren zu erdrückend und die Kritik aus dem Arbeitgeberlager zu laut, als dass sich der Abwärtstrend der deutschen Wirtschaft von den für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen und den Medien noch beschönigen ließe. 

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Overkill – Die EZB fährt die europäische Wirtschaft vor die Wand und alle schauen zu

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist schlecht, sehr schlecht sogar. Es gibt Indikatoren wie den sogenannten Markit PMI (hier zu finden), die für die deutsche Industrie ein ähnlich verheerendes Szenario vorhersagen wie zu Zeiten der großen globalen Finanzkrise von 2008/2009 oder zur Zeit des Coronaschocks im Jahr 2020. Der ifo-Index ist ebenfalls im Juli massiv eingebrochen. Der gerade frisch erschienene bank lending survey der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigt, wie stark die Straffung der Geldpolitik bereits wirkt; die Kreditvergabe an Unternehmen sinkt rasant. Doch die Verantwortlichen in Regierung und Zentralbank schauen weg. Sie wollen nicht sehen, was passiert, weil sie nicht wahrhaben wollen, wie fundamental sie mit ihren Schätzungen und Prognosen danebengelegen haben. 

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USA im Vorteil: Das Statut der EZB schadet Europa

In Europa wird Geldpolitik üblicherweise so diskutiert, als gäbe es zu der institutionell-politischen Ausgestaltung der Geldpolitik mit unabhängiger Zentralbank und ihrer Fokussierung auf Preisstabilität keine Alternative. Alle europäischen Länder haben sich der alten deutschen Maxime angeschlossen, wonach die Notenbank nicht nur politisch unabhängig zu sein hat, sondern auch nahezu ausschließlich dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet sein muss. 

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